Evangelisch Reformierte Kirchgemeinde Mitlödi

Festtagsartikel Weihnachten 2021  Almut Neumann, Mitlödi

Liebe Leser*innen, wenn wir uns mit der Person Jesus beschäftigen, erscheint uns nichts menschlicher als die Berichte von seiner Geburt und seinem Sterben. Besonders die Geburtsgeschichte des Lukas mit all den Personen, die darin vorkommen, rühren uns an, wie Maria, die Hirten, aber auch jene Randfiguren, wie dem Joseph, bis hin zu Ochs und Esel; und da sind auch die Engel, „die himmlischen Heerscharen“.

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“ So beginnt jene vertraute Weihnachtsgeschichte, die voller Zauber und Geheimnisse ist. Und deshalb schlägt sie Menschen auch heute in ihren Bann. Dabei spüren wir, dass sie etwas mit uns zu tun hat und wünschen uns, dass sie irgendwie auch unsere Geschichte wird.

Da ist Maria: Es ja kein leichtes Los, das ihr beschieden ist: der Eingriff Gottes in ihr Leben, die unerwartete Schwangerschaft, dann die mühselige Reise kurz vor der Geburt. Und auch später ein Weg mit Schmerzen. Ihr Sohn ist ihr oft sehr fremd mit seinen Worten und Taten. Am Ende bleibt sie unter dem Kreuz stehen, sie und einige andere. Maria bleibt nicht allein. Sie „bewegt all das Geschehene in ihrem Herzen“, und singt immer wieder: „Den Herrn preist meine Seele. Ich freue mich, dass er mein Retter ist.“

Da ist Josef: Er ist alt, steht mit seiner Laterne nur so da; so wie wir ihn in den Krippendar -stellungen sofort erkennen. Er hat auch nichts weiter zu sagen. Und doch erscheint ihm im Traum der Engel, der ihm eine besondere Aufgabe zuträgt: nämlich der Beschützer, der Rückhalt und Begleiter zu sein; einer, der Maria den Weg leuchtet, und sagt: Ich lass dich nicht im Stich. Ich kümmere mich um dich.

Da sind die Hirten: „Fürchtet euch nicht“, hören die Hirten auf dem Felde bei den Herden. Sie scheinen sich gar nicht zu wundern, dass plötzlich ein Engel zu ihnen kommt und diese schönen Worte zu ihnen sagt. Die Worte sind so eindrucksvoll, dass sich die Hirten sofort auf den Weg machen, um zu sehen, was genau geschehen ist. Im Stall finden sie alles so, wie es ihnen gesagt wurde. Und sie breiteten das Wort aus zur Verwunderung aller.
Es sind also die Hirten, die zu den ersten Zeugen werden. Sie hören, kommen, sehen – und verstehen. Nur – was genau verstehen sie eigentlich und breiten es aus? Was ist ihnen denn Gutes widerfahren?
Ihre Furcht ist kleiner geworden, denke ich, ihre Furcht vor dem Leben. Die haben ja alle Menschen, mal mehr, mal weniger. Das Leben ist manchmal zum Fürchten, wie wir immer wieder leidvoll erfahren. Und Gründe zum Fürchten gibt es genug. Wir sollten sie auch alle ernst nehmen.
Wer sich fürchtet, der fürchtet sich erst einmal zu Recht. Wie die Hirten auf dem Feld; aber nach der Begegnung mit dem Engel überkommt sie „große Freude“. Dabei ändert sich überhaupt nichts in ihrem Leben, aber innerlich verändert sich alles. Sie haben die Nähe Gottes gespürt an Körper und Seele. Sie werden wieder auf ihren Feldern sein, doch sie wissen sich wahrgenommen. Gott selber nimmt sich ihrer Furcht vor dem Leben an, Gott selber trägt sie. Gott selber lässt sie nicht alleine. Mehr Grund zur Freude kann es wohl nicht geben.

In unserem Krippenspiel in Mitlödi möchten seit einigen Jahren die Kleineren unserer Schulkinder wieder Rindli und Esel spielen. Von ihnen redet in der biblischen Weihnachtsgeschichte keiner. Aber was wäre ein Stall ohne Rind und Esel? Es würde nicht nur der Stallgeruch fehlen, auch die Armseligkeit, die Not der Unterkunft, in die das Jesus-Kind hineingeboren wurde in einem Futtertrog als Bettchen zwischen dem Heu und dem Stroh.
Über tausende von Jahren hatte sich die Hoffnung der Armen und Unterdrückten darauf gerichtet, dass ein neugeborener Herrscher die gesellschaftlichen Verhältnisse umkehren würde. Und nun
wird dieses Kind geboren, als Armer unter den Armen, um ihre Situation zu teilen, um zu zeigen, dass Gott sie selbst im Schlimmsten nicht allein lässt.

Die meisten Menschen können das kaum verstehen; können nicht glauben, dass das Kind tatsächlich der Retter der Welt ist und ihre Dunkelheit erhellt. Ein Prophet des Alten Testamentes hat das vorausgesehen. Seine Prophetie ist der Grund dafür, dass Rind und Esel heute unsere
Krippendarstellungen bevölkern.

Er, Jesaja, sagte: Ein Rind kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber mein Volk versteht es nicht. (Jes 1,3) So stehen sie also im Stall seit mehr als 2000 Jahren. Erstaunt über die Vorkommnisse in ihrem Stall, stehen sie für alle Armen, zu kurz Gekommenen, für Menschen, die am Rande stehen oder sich so fühlen. Und das Wunder: Sie finden sich im Stall auf den besten Plätzen wieder direkt neben dem Christkind, mittendrin im Glanz der Heiligen Nacht.
Zugegeben: mit einem Rind oder einem Esel identifiziert man sich nicht so ohne weiteres. Aber sie haben von dem wenigen, was sie haben, abgegeben und sind beiseite getreten. Denn manchmal bewirkt ein kleiner Schritt ganz Grosses. Selbst wenn wir uns als zu kurz gekommen empfinden, kommt es manchmal drauf an, zur Seite zu rücken und jemandem Platz zu machen. Eine winzige Geste der Liebe kann bewirken, dass man selbst dem Wunder von Weinachten sehr nahe kommt.

Darum kommen ja viele Menschen so gerne zur Krippe, jedes Jahr wieder, weil sie in der Heiligen Nacht wieder hören wollen, wie Gott zu uns sagt: Fürchtet euch nicht. Gott selber trägt uns. Wir leben nicht allein und ziellos im leeren Raum. Wir sind geborgen bei Gott. Das zu wissen, kann alles verändern.
Auf dem Weg zur Krippe werden uns viele Menschen begegnen. In ihnen will uns Jesus begegnen, ganz menschlich und brüderlich, der uns tröstet und begleitet mit dem guten Geist seiner Liebe.

Frohe Weihnacht und Gottes Segen. Ihre Pfr. Almut Neumann